Die Vereinsgeschichte

Im Jahr 2016 feierte der Verein sein 175 Jähriges Bestehen. Wir blicken zurück auf unsere bewegte Historie

1839

Das Großherzogliche Innen- und Justiz-Ministerium gibt am 9. Oktober im Hessischen Regierungsblatt bekannt, dass ein „Verein zur Unterstützung und Beaufsichtigung der aus den Landes- und Provinzialstrafanstalten Entlassenen im Großherzogtum Hessen“ gebildet werden soll:

Der Zweck des Vereins soll seyen, die moralische und bürgerliche Besserung der aus den … Strafanstalten Entlassenen zu befördern, darum ihnen die Möglichkeit eines ordentlichen Lebenswandels und rechtlichen Erwerbs zu verschaffen und daher ihnen auch bei ihrem nach überstandener Freiheitsstrafe nöthigen Unterkommen und Fortkommen behülflich zu seyn, namentlich mit Rath und Verwendung und, wenn es erforderlich erscheint, selbst mit Geldmitteln zu unterstützen.

1841

Am 22. Oktober genehmigt Großherzog Ludwig II. die Satzung und ernennt den Vereinsvorsitzenden und dessen Stellvertreter. Dieses Datum wird zum Gründungstag des Vereins.

1842

Der Verein nimmt seine Arbeit auf. 

Er unterstützt Haftentlassene bei der Arbeits- und Wohnungssuche, zahlt Beihilfen für Arbeitskleidung, Handwerkszeug oder Saatgut, beteiligt sich an der Wohnungsmiete oder gibt Arbeitgebern finanzielle Anreize, damit sie Haftentlassene beschäftigen. 

In der Regel endet die Betreuung nach zwei Jahren.

1852

In den Folgejahren passt der Verein seine Satzung an politische und gesellschaftliche Entwicklungen an. Er engagiert sich in der Reform des Strafvollzugs und empfiehlt weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Strafvollzugs. 

Mit der Gründung des „Gesamtverband der Deutschen Schutzvereine für entlassene Strafgefangene“ erweitert sich auch der Aufgabenbereich und die politische Einflussnahme des Vereins: Künftig kann jeder deutsche Strafentlassene die „Fürsorge“ der hessischen Institution in Anspruch nehmen. 

Die Zahl der vom Verein Unterstützten steigt auf knapp 1200 Personen im Jahr 1852.

„Der Gesunde bedarf keines Arztes, wohl aber der Kranke. Selbst wenn von Zehn, ja von Hundert nur einer gerettet wird, ist das Wirken des Vereins nicht vergeblich gewesen.“

Der Verein hat aber auch mit Vorurteilen in der Bevölkerung zu kämpfen. Die übliche Unterstellung lautet: Man unterstütze Verbrecher, während redliche Bürger sich ohne Hilfe durchschlagen müssen. Gegenargument des Vereins: „Der Gesunde bedarf keines Arztes, wohl aber der Kranke. Selbst wenn von Zehn, ja von Hundert nur einer gerettet wird, ist das Wirken des Vereins nicht vergeblich gewesen.“ In den Jahren des ersten Weltkriegs von 1914 – 1918 verringert sich die Fürsorgetätigkeit des Vereins. Am 9. November 1918 dankt Kaiser Wilhelm II. ab. Deutschland wird eine Republik.

1919

Nach dem Krieg findet am 13. Oktober die erste Mitgliederversammlung in Offenbach statt. Statt der großherzoglichen Regierung ist nun das Hessische Ministerium des Innern für die Bestellung der Vorstandsmitglieder zuständig.

1923

Durch die schwierige wirtschaftliche Situation in Deutschland (Wirtschaftskrise und Hyper-Inflation) steigt die Kriminalitätsrate und damit die Zahl der zu betreuenden Häftlinge. Gleichzeitig gelingt es kaum noch Strafentlassene in Arbeitsstellen zu vermitteln. 

Wegen des angespannten Arbeitsmarkts entschließt sich der Verein, selbst Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. In Dieburg wird ein „Arbeitsheim“ eingerichtet. Dort erhalten die Strafentlassenen unentgeltlich Kost und Logis. Gegen Entlohnung sollen sie 12,5 Hektar Wald roden und eine Korbweiden-Plantage anlegen. Die Weidenzweige benötigt die Strafanstalt Butzbach für ihren Korbmachereibetrieb.

1962

Der Verein pachtet das 100 Hektar große Landgut Hohenau im Kreis Groß-Gerau und widmet es zum Aufnahmeheim für Strafentlassene um. Dort werden sie in der Landwirtschaft, beim Garten- und Obstbau, in der Apfelweinkelterei, sowie in der Vieh- und Milchwirtschaft eingesetzt. 

Das Justizministerium sieht darin einen Modellversuch der Bewährungshilfe. Strafgefangene, die sich in der Haft gut führen, werden vorzeitig entlassen und können sich bei der Arbeit auf dem Landgut bewähren. Im günstigsten Fall wird ihnen der Rest ihrer Haftstrafe erlassen. Ebenso können sie Geldstrafen im buchstäblichen Sinn „abarbeiten“.

1927

Für Gerichts- und Strafverfolgungsbehörden wird der Verein zum wichtigsten Ansprechpartner, um die Lebensumstände des Täters zu klären. Das Hessische Justizministerium erlässt am 1. Juni eine entsprechende Verfügung an seine Beamten. Bei Fragen nach der wirtschaftlichen Lage, Abstammung, Ausbildung und anderen Details zur Biografie der Angeklagten sollen sie sich vorzugsweise an den Verein wenden. Damit ergibt sich die Möglichkeit, den Täter vom Beginn des Strafverfahrens bis zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu begleiten.

1933

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wird der Verein der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ (NSV)/ Gau Hessen-Nassau angegliedert und Vertretern nationalsozialistischer Organisationen unterstellt. Auch der gesamtdeutsche Verband ist nun ein Teil des NSV.

1950

Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland bestellt das Registergericht Darmstadt am 28. März einen Notvorstand für den Verein, der in den ersten Nachkriegsjahren die Vereinsarbeit aufrecht erhält. Bereits im Januar war ein Entwurf für eine Neuformierung der „Hessischen Straffälligenbetreuung Sitz Darmstadt“ vorgelegt worden.

1951

Am 11. Januar verabschieden die 30 Teilnehmer der Hauptversammlung eine neue Satzung des „Vereins zur Betreuung von Gefährdeten und Straffälligen in Hessen e. V.“. Dessen Wirkungskreis beschränkt sich auf den Regierungsbezirk Darmstadt, der damals auch die ehemaligen Provinzen Starkenburg und Oberhessen umfasst.

Schwerpunkte der Arbeit sind „die Fürsorge für erwachsene Strafgefangene in Zusammenarbeit mit den Gefängnisbetreuern, die Entlassenenfürsorge, die Bekämpfung der Ursachen des Verbrechens sowie als besondere Aufgabe die Hilfe für gefährdete und straffällig gewordene Jugendliche.“ 

Der Verein übernimmt die Patenschaft für das Übergangsheim „Fliedner-Haus“ in Groß-Gerau. Dort werden jugendliche Strafgefangene der Justizvollzugsanstalt Rockenberg während der letzten sechs Monate ihrer Haft untergebracht, um in Freiheit einem Beruf nachgehen zu können. Ebenso finanziert der Verein Maschinen, Werkzeug und Material für die Berufsausbildung im Jugendgefängnis Rockenberg sowie Unfallversicherungen für dort tätige Insassen.

1953

Der Verein bietet tägliche Sprechstunden an und unterstützt Haftentlassene mit Geld, Lebensmittel- und Bekleidungsgutscheinen. Bei begnadigten Strafgefangenen übernimmt man die ehrenamtliche Bewährungsaufsicht (ca. 400 Fälle pro Jahr). 

1954

Da die meisten Haftentlassenen nach der Strafrechtsreform durch professionelle Bewährungshelfer betreut werden, konzentriert sich der Verein stärker auf die ambulante Unterstützung von ehemaligen Gefangenen ohne festen Wohnsitz. 

1963

Der Verein erhält seinen bis heute gültigen Namen:

„Soziale Hilfe Darmstadt e. V“.

1985

Mit dem „Haus Ober-Ramstadt“ wird vom Verein ein neues Wohnheim für entlassene Strafgefangene eingerichtet. Damit soll vor allem jungen Haftentlassenen die Chance auf eine erfolgreiche Resozialisierung geboten werden.

2011

Zusätzlich zum stationären Bereich gewährt der Verein mit ambulanten Betreuungen auch für Frauen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach §§ 67 SGB XII.

2016

Mit einem Festakt am 15. November feiert der Verein Soziale Hilfe sein 175-jähriges Bestehen

2021

Auch unter Coronabedingungen wird die Betreuung der Klienten im stationären und ambulanten Bereich von hauptamtlichen Fachkräften (Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen) mit Engagement ausgeführt.

Die Aufgaben der Geschäftsführung und die Vereinsverwaltung werden ehrenamtlich vom Vorstand geleistet. 

Der Wirkungskreis des Vereins erstreckt sich auf den Landgerichtsbezirk Darmstadt. Neben der Hauptstelle in Darmstadt, führt der Verein Außenstellen in Bensheim, Dieburg, Groß-Gerau und Offenbach.

…wir freuen uns auf die nächsten 180 Jahre soziale Hilfe!